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Die Wiederbesiedlung Eichstettens nach dem Dreißigjährigen Krieg.

Von Kurt Heinzmann. Kurzfassung des Vortrags im Genealogischen Arbeitskreis Freiburg am 19. Oktober 2000

Gliederung:
1. Der Vorgang der Wiederbesiedlung, eine Synopse zwischen Archivalien und Kirchenbuch.
2. Historisch-demographische Untersuchungen zur Erhellung der Lebensverhältnisse.
3. Zur Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die gesamte Markgrafschaft Hochberg,
eine Untersuchung auf der Basis der Familiennamen 1615, 1662 und 1709.

Die Abschnitte 1 und 2 sind ausführlich dargestellt in einem Beitrag im ersten Band der Eichstetter Dorfchronik von 1996: "Die Wiederbesiedlung Eichstettens nach dem Dreißigjährigen Krieg und die Lebensverhältnisse bis 1870", in: Eichstetten. Die Geschichte des Dorfes, Bd. I, Von der Jungsteinzeit bis um 1800. Hrsg.: Thomas Steffens, Eichstetten 1996.

1. Die Wiederbesiedlung

In der regionalgeschichtlichen Literatur finden sich widersprüchliche und übertrieben erscheinende Darstellungen der Lebensverhältnisse im Breisgau und am Kaiserstuhl nach dem Dreißigjährigen Krieg. Dies war Anlass, in einer Mikrostudie wenigstens für ein Dorf des Kaiserstuhls den Vorgang der Wiederbesiedlung so genau wie möglich nachzuzeichnen. Durch die Größe des Dorfes und die gute Quellenlage (Akten des GLA und lückenlose Kirchenbücher ab 1644) ist Eichstetten ein geeigneter Untersuchungsort. Das baden-durlachische Dorf Eichstetten, seit 1556 evangelisch-lutherisch, war vor und nach dem Krieg der größte Ort der Markgrafschaft Hochberg. Die Vogtberichte der einzelnen Orte Hochbergs (GLA 115/285) mögen bei den Schadensangaben etwas übertrieben sein, die Angaben über die Restbevölkerung nach 1648 sind zuverlässig. Das Kirchenbuch Eichstetten ist von 1644 an lückenlos geführt, auch im Totenbuch, nachweisbar an der geringen Zahl an fehlenden Todesdaten bei Namensgleichheit unter Geschwistern (vgl. John Knodel, Demographic Behavior in the Past. A Study of  Fourteen German Village Populations in the Eighteenth and Nineteenth Centuries. Cambridge 1988, 490). Damit lässt sich die Restbevölkerung nach 1648 mit großer Genauigkeit rekonstruieren, auch das Jahr der Rückkehr lässt sich ungefähr bestimmen. Aus der vergleichenden Untersuchung der unabhängigen Quellen des GLA und der Kirchenbücher ergibt sich ein klares Bild.

Ende 1649 leben etwa 70-80 Menschen im Dorf, der klägliche Rest der ehemaligen Bevölkerung. Aber noch sind nicht alle Eichstetter aus der Flucht zurückgekehrt. Fremde Zuwanderung setzt ab 1650 ein. Im Jahr 1653 leben etwa 350 Einwohner im Dorf. Der Vogtbericht 1653 (GLA 115/285) nennt 11 alte Bürger, die den Krieg überlebt haben - von 250 Bürgern im Jahr 1626. Hinzu kommen 26 neue einheimische Bürger, also Söhne aus Eichstetter Familien, die nach 1626 geheiratet haben. Alle diese Bürger erscheinen auch im Kirchenbuch, sie bilden 1653 mit ihren Familien knapp die Hälfte der Einwohnerschaft, etwa 170 Personen. Im Vergleich zur Bevölkerung vor dem Krieg (1100-1200 Einwohner) kann man von einem Rückgang von rund 85% sprechen. Krieg, Hunger und Pest sind die wesentlichen Ursachen, aber sicher sind auch viele der Einwohner zwischen 1626 und 1653 eines natürlichen Todes gestorben. Der Vogt kann in seinem Bericht nur fünf ledige Bürgersöhne über vierzehn Jahren und vier ledige Bürgertöchter über zwölf Jahren nennen. Die nachwachsende Generation fehlt. Fast alle der alten Eichstetter Familiennamen sind wieder vertreten: Bieselin, Danzeisen, Eselgroth, Gerber, Groß, Hering, Hiß, Höfflin, Hornecker, Iselin, Ries, Rinklin, Scherzer, Schulmeister, Schumacher, Wahrer, Weißhaar und Wiedemann.

Die Fluktuation der Zuwanderer ist zwischen 1650 und 1660 sehr hoch. Eine erste Analyse der Zuwanderung erlaubt die Musterungsliste 1662 (GLA 115/418). Sie nennt die Bürger des Jahres 1662, unter ihnen auch die neuen Bürger. Diese kommen zum größten Teil aus der Herrschaft Rötteln (aus dem heutigen Markgräflerland), also aus ebenfalls baden-durlachischem Gebiet, einige aus der Markgrafschaft Hochberg. Zwei weitere Gruppen sind erkennbar: Eingewanderte Schweizer und abgedankte Soldaten. Durch Patenschaftsbeziehungen und Eheschließungen der Kinder ist das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb dieser Gruppen erkennbar.

Für die langsam wachsende Bevölkerung bedeutet der Holländische Krieg (1672-1679) eine deutliche Zäsur. Die Bevölkerung muss mehrfach fliehen, auch für längere Zeiträume. Nicht alle Hintersassen kehren zurück. Ab 1680 resultiert das weitere Bevölkerungswachstum aus dem Geburtenüberschuss, nicht aus Zuwanderung. Noch heiraten einige Markgräfler und Schweizer nach Eichstetten ein, aber in etwa gleichem Umfang verlassen junge Eichstetter das Dorf. Die verschiedenen Bevölkerunggruppen wachsen langsam zusammen.

Die Fronliste 1698 (GLA 115/142) und die Schatzungsliste 1700 (GLA 115/424) ermöglichen in Verbindung mit dem Kirchenbuch für das Jahr 1700 eine genaue Rekonstruktion der Bevölkerung. Das Dorf hat inzwischen knapp 750 Einwohner. Eine Untersuchung dieser Einwohnerschaft auf Herkunft und Abstammung (unter Berücksichtigung der Eltern und Großeltern, so weit bekannt) ergibt Folgendes: Aus der alteingesessenen Bevölkerung stammen 28%, aus Hochberg 15%, aus Rötteln 21%, aus der Schweiz 15%, bei weiteren 8% ist die Herkunft bekannt, bei 13% unbekannt. Damit stammen rund zwei Drittel der Bevölkerung "aus dem Lande". Von einer Neubesiedlung durch Schweizer, eine weithin herrschende Auffassung, kann keine Rede sein.

2. Historisch-demographische Untersuchungen

Die gute Quellenlage und die Größe des Ortes erlauben aussagekräftige historisch-demographische Untersuchungen. Einige Ergebnisse (Untersuchungszeitraum 1651-1790):

2.1 Lebenserwartung: Das Durchschnittsalter aller männlichen Lebendgeborenen des genannten Zeitraums (2154 Geburten) beträgt 32,3 Jahre. Die Kindersterblichkeit verfälscht das Ergebnis. Berechnet man das Durchschnittsalter der Männer, die das 20. Lebensjahr erreicht haben (1115 Männer), so erhält man 58,9 Jahre. Wer das 20. Lebensjahr erreicht, hat im Mittel eine fernere Lebenserwartung von fast 40 Jahren. Die entsprechenden Ergebnisse bei den Frauen (2085 Geburten) sind fast identisch, 33,5 Jahre bei allen weiblichen Lebendgeborenen, 59,0 Jahre bei den Zwanzigjährigen. Im gesamten Zeitraum von 1651-1790 sind keine ausgeprägten Unterschiede zwischen der Sterblichkeit der Männer und der Frauen erkennbar. Die Kindbettsterblichkeit ist gering, auch Männer sterben jung. Ebenso erreichen Männer und Frauen gleichermaßen ein Alter von 70-80 Jahren.

2.2 Ehedauer (823 Ehen): Die mittlere Ehedauer beträgt 28,0 Jahre. In Anbetracht der Lebenserwartung ist dies kein überraschender Wert. Nur 14% der Ehen dauern weniger als 10 Jahre, 17% zwischen 10 und 19 Jahren, 21% zwischen 20 und 29 Jahren, 23% zwischen 30 und 39 Jahren und 20% zwischen 40 und 49 Jahren. Goldene Hochzeiten sind selten, im ganzen Zeitraum sind nur 35 Ehen zu verzeichnen, die 50 Jahre und länger dauern.

2.3 Die Zahl der Kinder in den Familien (727 Erst-Ehen):
44 Ehen bleiben kinderlos (6%). Am häufigsten sind die Familien mit drei, vier, fünf und sechs Kindern. Es gibt auch Familien mit zehn oder mehr Kindern, aber sie bilden die Ausnahme. Die mittlere Kinderzahl aller Ehen beträgt 4,9.

2.4 Säuglings- und Kindersterblichkeit (6815 Lebendgeburten):
Die Säuglings- und Kindersterblichkeit wird aus den Geburtskohorten errechnet, nicht aus den Sterbekohorten, d. h. das Schicksal des einzelnen Kindes ist Basis der Berechnung. Die Säuglingssterblichkeit (Tod im 1. Lebensjahr) liegt bei 15,2%, vor Erreichen des 5. Lebensjahres sterben 25,8%, vor Erreichen des 15. Lebensjahres sterben 32,6% der Kinder. Damit erreicht rund ein Drittel der Neugeborenen nicht das Erwachsenenalter.

Die Eichstetter "Standardfamilie" des 18. Jahrhunderts hat also fünf Kinder, zwei sterben jung, drei erreichen das Erwachsenenalter. Die Eltern werden etwa 60 Jahre alt. Fast alle erwachsenen Kinder bleiben im Dorf. Dies führt zu einem ständigen Anwachsen der Bevölkerung und durch die Erbsitte der Realteilung zu immer kleineren Betriebsgrößen.

3. Die Familiennamen der Markgrafschaft Hochberg 1615, 1662 und 1709

Die Markgrafschaft Hochberg zählte im 17. Jahrhundert 28 Ortschaften um Emmendingen und am Kaiserstuhl: Bahlingen, Bickensohl, Bischoffingen, Bötzingen mit Oberschaffhausen (evangelischer Anteil), Broggingen, Denzlingen, Eichstetten, Emmendingen mit Nieder-Emmendingen, Freiamt, Gundelfingen, Ihringen, Köndringen, Königschaffhausen, Kollmarsreute, Leiselheim, Maleck, Malterdingen, Mundingen, Nimburg mit Bottingen, Ottoschwanden, Prechtal (badischer Anteil), Sexau, Teningen, Tutschfelden, Vörstetten, Wasser, Weisweil und Windenreute. Auf diese Orte bezieht sich die nachfolgende Untersuchung.

Die einzige Hochberger Bürgerliste aus der Zeit vor den Dreißigjährigen Krieg ist die Fronliste des Jahres 1615 (GLA 115/130). Diese Liste nennt namentlich die Zugtierbesitzer der einzelnen Orte, die Handfröner werden nur summarisch genannt. In manchen Orten, z. B. in Eichstetten und Bahlingen, werden teilweise auch Pferdebesitzer nicht namentlich genannt. Häufig fehlen die Namen der fronfreien Personen (Vogt, Stabhalter, Heimburger, Sigrist, Bannwart usw.). Ebenso fehlen die Emmendinger Familiennamen, da Emmendingen fronfrei war. Die Liste nennt 343 verschiedene Familiennamen bei 519 Personen.

Die Musterungsliste des Jahres 1662 ist die erste namentliche Erhebung nach dem Dreißigjährigen Krieg (GLA 74/5561). Sie erfasst die wehrpflichtigen Haushalte. Witwenhaushalte ohne wehrfähige Söhne werden nicht genannt. Ebenso fehlen die Hintersassen. Die Liste enthält 548 verschiedene Familiennamen bei 762 Personen.

Die am ehesten vollständige Liste ist die Huldigungsliste des Jahres 1709 (GLA 74/5027, veröffentlicht von Hermann Jacob: Einwohnerbuch der Markgrafschaft Baden-Durlach im Jahre 1709, Schopfheim 1933). Diese Liste erfasst alle männlichen Einwohner ab 15 Jahren, auch die Hintersassen. Sie enthält  bei 1231 Personen 749 verschiedene Namen.

Von den 343 Familiennamen aus der Zeit vor dem Krieg erscheinen im Jahr 1662 noch 184 Namen (54%), in allen drei Listen bleiben 151 Namen (44%) erhalten. Darunter sind natürlich die häufigen Namen Müller, Schmidt, Meier, Schneider usw., auch häufige Namen der Markgrafschaft wie Brodbeck, Blum, Bühler, Heß, Jakob, Ries, Schumacher, Wagner oder Zimmermann. Diese Namen sind ohne Aussagewert. Es bleiben aber genügend für bestimmte Orte charakteristische Hochberger Familiennamen. Als Beispiele seien genannt: In Bahlingen Adler, Breisacher, Hässig und Joseph, in Bickensohl Spitzer, in Bötzingen Brenn, Iselin, Stein und Stählin, in Broggingen Ackermann und Mutschler, in Denzlingen Nübling, Rappold und Schaffhauser, in Eichstetten Danzeisen, Hiß, Hornecker und Rinklin, in Freiamt Buderer, Reinbold, Rist und Scheuermann, in Ihringen Birmelin, Göpfert, Mattmüller und Schillinger, in Königschaffhausen Henninger, in Köndringen Huber, Wahl und Zuckmantel, in Malterdingen Durst und Wilhelm, in Mundingen Stengler, in Nimburg Strauß, in Sexau Gutjahr und Mench, in Teningen Ehrler und Wild, in Vörstetten Leimenstoll und Nagel, in Weisweil Hüglin. Die Aufzählung ist unvollständig, sie nennt nur Beispiele. Viele dieser Namen erscheinen bereits im Tennenbacher Güterbuch aus dem Jahr 1341 (Weber, Max [Hg.], Das Tennenbacher Güterbuch (1317-1341), Stuttgart 1969), viele finden sich heute im Telefonverzeichnis der betreffenden Gemeinde. Einzelne Namen lassen sich von 1341 bis heute verfolgen.

Damit lässt sich das obige Eichstetter Ergebnis auf die gesamte Markgrafschaft übertragen: Der Bevölkerungsverlust war hoch, nach GLA 115/285 war die einheimische Bevölkerung nach dem Krieg 1653 auf rund 25% der Bevölkerung von 1626 zurückgegangen (Vgl. Maurer, Heinrich, Der Zustand der Markgrafschaft Hochberg am Ende des 30-jährigen Krieges,  in: ZGO Jg. 1880, 480-490). Aber die zurückkehrende Restbevölkerung bildet das Fundament der Wiederbesiedlung.

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