Dr. Wilhelm Weinberg
1862 - 1937
Dr. med. Wilhelm Weinberg, Allgemeinarzt, Gynäkologe, Vererbungsforscher, Statistiker und Genealoge,
* Stuttgart 25.12.1862, † Tübingen 27.11.1937; S.d. Julius Weinberg, Kaufmann in Stuttgart, u.d. Magalene Hunbert;
oo Göppingen 30.1.1896 Berta Wachenbroenner (* Backnang 14.1.1875; T.d. Friedmann Wachenbroenner, in Mergentheim, u,d, Marie Keller)
Mitglied: 1920 bis 1937
Wilhelm Weinberg wurde 1862 in Stuttgart geboren. Sein Vater hatte jüdische Wurzeln, er selbst wurde jedoch, ebenso wie seine Mutter, protestantisch getauft. Weinberg studierte in Tübingen und München Medizin. 1889 wurde er zum Dr. med. promoviert, kehrte nach Stuttgart zurück und eröffnete in seinem Elternhaus seine Praxis für Gynäkologie. Weinberg heiratete, wurde Vater von fünf Kindern, praktizierte als Frauenarzt, war als Armenarzt tätig und war Mitglied in diversen Gesellschaften, wie z. B. der Deutschen Gesellschaft für Vererbungswissenschaft. Seine wissenschaftlichen Abhandlungen (ungefähr 200 Abhandlungen, Artikel und wissenschaftliche Rezensionen) schrieb er quasi in seiner Freizeit. 1931, wenige Jahre vor seinem Tode, zog er aus finanziellen Gründen nach Tübingen, wo er 1937 starb.
Weinbergs wissenschaftliches Interesse galt der damals noch jungen wissenschaftlichen Disziplin der Vererbungslehre. Er beschäftigte sich neben seiner praktischen Arbeit als Arzt mit Zwillingsforschung, Mutationen beim Menschen, medizinischer Statistik und der Anwendung der Vererbungsgesetze auf Populationen.
1908 beschrieb er in einem Fachvortrag am 13. Januar 1908 in Stuttgart unter dem Titel 'Über den Nachweis der Vererbung beim Menschen' das Fundamentalgesetz der Populationsgenetik: In einer idealen Population ändert sich die Häufigkeit der Gene nicht, wenn keine evolutiven Kräfte einwirken. Die Allelfrequenzen bleiben konstant.
Unabhängig von Wilhelm Weinberg gelangte der englische Mathematiker Godfrey Harold Hardy zum gleichen Ergebnis.
Weinbergs Vortrag wurde im selben Jahr in den Jahresheften des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg veröffentlicht, blieb aber außerhalb des deutschsprachigen Raums unbeachtet und waren in der englischsprachigen Welt mehr als 35 Jahre lang unerkannt. Curt Stern, ein deutscher Wissenschaftler, der vor dem Zweiten Weltkrieg in die Vereinigten Staaten emigrierte, wies in einem kurzen Beitrag in Science nach dem Tode Weinbergs im Jahre 1943 darauf hin, dass Weinbergs Ausführungen sowohl früher als auch umfassender waren als die von Hardy. Vor 1943 waren die Konzepte des genetischen Gleichgewichts, die heute als 'Hardy-Weinberg-Prinzip' bekannt sind, in englischsprachigen Texten als "Hardy's law" oder "Hardy's formula" bekannt.
James F. Crow schreibt: "Warum wurde Weinbergs Veröffentlichung, die im gleichen Jahr wie Hardys veröffentlicht wurde, 35 Jahre lang vernachlässigt? Der Grund ist wahrscheinlich, dass er auf Deutsch schrieb. Zu dieser Zeit wurde die Genetik weitgehend von Englischsprachigen dominiert und Arbeiten in anderen Sprachen wurden oft ignoriert".
1910 gründete Wilhelm Weinberg den Stuttgarter Zweig der Gesellschaft für Rassenhygiene, deren Vorsitzender er lange Zeit war. In dieser Zeit untersuchte Weinberg in einer großangelegten Studie Kinder an Tuberkulose zwischen 1873 und 1902 verstorbener Eltern und verglich ihren Gesundheitszustand mit demjenigen Gleichaltriger, deren Eltern nicht an Tuberkulose gestorben waren. Die unter dem Titel 'Die Kinder der Tuberkulösen 1913 veröffentlichte Studie gilt als wissenschaftlich vorbildliche epidemiologische Kohortenstudie der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts.
Quellen:
(1) Bild von https://ru.wikipedia.org/wiki/Вайнберг,_Вильгельм
(2) Seite „Wilhelm Weinberg“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 4. Februar 2019, 09:46 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wilhelm_Weinberg&oldid=185368847 (Abgerufen: 27. August 2019, 16:19 UTC)
(3) Biographie in: https://peoplepill.com/people/wilhelm-weinberg/ (abgerufen 11.10.2020)
(4) Karte 'Weinberg Wilhelm 1862' vom 10.9.1921 in Bestand Vereinsarchiv K40/11b
(5) Normdaten: GND/117262455
Verweise:
(a) Wilhelm Weinberg: Über den Nachweis der Vererbung beim Menschen. In: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg. Bd. 64, 1908, ISSN 0368-4717, S. 369–382, Digitalisat.
(b) Dorothee Früh: Wilhelm Weinberg (1862 – 1937), Armenarzt und Populationsgenetiker – Anmerkung zu Leben und Werk in: Biologisches Zentralblatt 115 (1996) S. 112-119
(c) Sarah Atorf: Die nationale und internationale Rezeption der genetischen Arbeiten Wilhelm Weinbergs (1862–1937).(2011), Diplomarbeit an der Universität zu Köln
(d) Thomas Held, Aus den Vereinsakten 1920 bis 2020, Digitale Beilage zu Südwestdeutsche Blätter für Familien- und Wappenkunde, Band 38 (2020), in: swdb38-01.vfkbw.de