Nach einem ähnlichen Werk über „Die Neckarvorstadt zu Cannstatt“ (Bad Cannstatt 2016, 112 Seiten) legt der aus Bad Cannstatt stammende Regierungsbaumeister Peter Kieferle jetzt ein noch deutlich gewichtigeres Buch über die Kernstadt von Bad Cannstatt vor. Basierend auf den alten Hausnummern des auf einer Doppelseite abgedruckten Stadtbauplans von 1823 (auf Grundlage der Urflurkarte) behandelt das Buch die Häuser Nr. 1–329. Bei jedem Haus ist – sofern es heute noch existiert – die heutige Adresse vermerkt und bei nicht mehr existierenden Häusern sind ebenfalls die Lage bzw. die früheren Straßenbezeichnungen angegeben.
Besonders ausführlich sind die beigegebenen Hausbeschreibungen nach der Steuerrevision von 1717, hinzu kommen frühere und spätere Beschreibungen zur Bebauung des jeweiligen Grundstücks. Außer einer tabellarischen Auflistung finden sich bei jeder Hausnummer fachkundige Bemerkungen zur Hausgeschichte. Für Familienforscher besonders relevant sind die ermittelten Hausbesitzer von den Anfängen bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts (ab 1855 können die Hausbesitzer und -bewohner dann den Cannstatter Adressbüchern entnommen werden). Außer den Namen der Hausbesitzer wurden möglichst auch deren Berufe vermerkt und der Zeitraum, in dem sie (bzw. ihre Witwen, Erben oder die unmündigen Kinder mit ihren Kindspflegern) das jeweilige Haus besaßen.
In zehnjähriger Arbeit hat der Autor die relevanten Quellen im Stadtarchiv Stuttgart (Bestand Cannstatt), im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, im Stadtarchiv Esslingen und beim Landesamt für Denkmalpflege ausgewertet. Grundlegend für die ältere Zeit sind die seit 1555 erhaltenen Cannstatter Kaufbücher, die Güter- und Steuerbücher seit 1558, die Steuerlisten von 1525 und 1545 sowie weltliche und geistliche Lagerbücher seit dem 14. Jahrhundert. Anhand dieser Quellen kann der Autor die Häuser und ihre Besitzer regelmäßig bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts zurück dokumentieren und in vielen Fällen noch deutlich weiter, z. T. bis ins 14. und 15. Jahrhundert. Vermutungen zu früheren Besitzern sind sparsam gehalten und immer durch ein Fragezeichen markiert.
Das Buch enthält ein Glossar alter Begriffe, Verzeichnisse der Quellen, der Literatur und der Abbildungen und ein fast 70-seitiges Personenregister, das alle im Buch genannten Personen erschließt und das damit auch für den Familienforscher überaus wertvoll ist.
Nur selten treten Namensverschreiber auf, wie z. B. beim Bäcker „Aspinius“ Beck im Haus Nr. 9, der in Wirklichkeit Erasmus (Kurzform: Asimus) Beck hieß. Dieser besaß das Haus Nr. 9 im Jahr 1545 und wenn der nächste Besitzer von 1558-1564 Erasmus Stolpp war, dann zeigen sich hier interessante Perspektiven für weiterführende Forschungen nach den Hausbesitzern und ihren Familien. Denn Erasmus/Asimus Beck wurde 1534/36 gemustert und er war offensichtlich identisch mit dem Bürger (und Bäcker) Erasmus/Asimus Stolp(p), der 1561/67 „der Alte“ hieß und der 1565/67 starb. Dieser hatte drei verheiratete und ab ca. 1538 geborene Töchter (die erste heiratete einen Bäckerknecht Rapp) und anscheinend auch zu diesen Kindern gehörte der vor 1538 geborene Jung Erasmus Stolp(p), der ab 1558 nacheinander die Häuser Nr. 103 und Nr. 66 bewohnte.
Der Band ist anschaulich bebildert durch alte Fotos, Zeichnungen und Baupläne zahlreicher Häuser.
Schon eingangs bemerkt der Autor, dass eine Verknüpfung von Häuserforschung und genealogischer Forschung fruchtbar sein kann. Das Buch stellt eine Fundgrube für alle dar, die sich mit Alt-Cannstatter Personen und Familien beschäftigen, und es kann daher allen Forschenden sehr empfohlen werden.
Jens Th. Kaufmann
Peter Kieferle: Die Häuser von Alt-Cannstatt : Das Cannstatter Häuserbuch, Stuttgart-Bad Cannstatt 2024. 424 Seiten. € 37,--. ISBN 978-3-00-080151-8 (derzeit erhältlich im Stadtmuseum Bad Cannstatt).