von Marion Weber, Stuttgart

Europa in unseren Wurzeln – Sachsen und seine Nachbarn: Unter diesem Motto stand der diesjährige deutsche Genealogentag, der am letzten September-Wochenende in Dresden stattfand.

Über 700 Familienforscher und -forscherinnen waren der Einladung des Dresdner Vereins für Genealogie gefolgt. Ihnen wurde knapp zwei Tage lang ein buntes Programm geboten, im großen Angebot von 33 Vorträgen und einer Podiumsdiskussion fanden auch Familienforscher ohne sächsische Wurzeln genügend Informatives. Da immer drei Veranstaltungen parallel liefen, musste auch ich eine Auswahl treffen, kann also hier nur einen kleinen Ausschnitt präsentieren.

Zunächst folgte ich mit Dr. Lars Arne Dannenberg den Tippelbrüdern: Auf der Walz. Von Sachsen in die Welt … und zurück. Dannenberg nahm uns mit auf eine Reise auf den Spuren der Zinngießerfamilie Weigang von Bautzen über Stockholm ins Hohenlohische. Faszinierend, dass wandernde Handwerksgesellen im 18. Jahrhundert schon bis nach Amerika gelangten.

Dr. Katrin Marx-Jaskulski gab in ihrem Vortrag über Hessische Personenstandsnebenregister online unter anderem einen Einblick in das Archivinformationssystem arcinsys, das von den staatlichen Landesarchiven in Hessen, aber auch in Niedersachsen benutzt wird. Dort werde ich in den nächsten Tagen einmal ausführlich stöbern.

Nach der Kaffeepause stand die Podiumsdiskussion Wie machen wir Ahnenforschung jünger? auf meiner Agenda. Junge Zielgruppen brauchen andere Formen der Darstellung und wir müssen mit dem Thema Familienforschung dorthin gehen, wo die Kinder und Jugendlichen sind. Dies waren zwei zentrale Aussagen der munteren Diskussion. Bemerkenswert, dass selbst beim Verein für Computergenealogie das Durchschnittsalter bei 62 Jahren liegt. Bleibt nur die Hoffnung, dass unsere kleine Gruppe der Twitter-Aktiven mit ihren Nachrichten unter #69DGT17 einige Jüngere erreicht haben …

Die Bestände der Deutschen Zentralstelle für Genealogie in Leipzig, aber auch die traurige Geschichte des Umgangs mit diesen familiengeschichtlichen Sammlungen des NS-Reichssippenamts waren Thema des Vortrags von Dr. Thekla Kluttig. Die vorwiegend aus den östlichen Provinzen, aber auch dem übrigen Reichsgebiet stammenden und seit 1934 verfilmten Kirchenbücher werden heute von eineinhalb Archivmitarbeiterinnen nebenbei betreut (Näheres zu den Beständen unter http://wiki-de.genealogy.net/Deutsche_Zentralstelle_für_Genealogie und http://www.archiv.sachsen.de/personen-und-familienforschung.html).

 Auf die Suche nach Orten in Polen begab ich mich nach der Kaffeepause mit Dr. Frank Stewner. Die Webseiten kartenmeister.com, sggee.org und meyersgaz.org helfen bei der Suche nach Orten in Osteuropa ebenso wie das ganz Europa abdeckende Geschichtliche Orts-Verzeichnis (GOV) des Vereins für Computergenealogie.

 Noch einmal richtig kurzweilig wurde es am späten Samstagnachmittag. Barbara Schmidt nahm ihre Zuhörerinnen und Zuhörer mit in verschiedene Unternehmensarchive. Personalakten, aber auch Rentenakten mit einer Fülle von Angaben zu Rentenempfängern, ihren Witwen und Kindern machen diese wenig bekannten Archive zu einer Fundgrube für Familienforscher. Eine wichtige Hilfe bei der Suche nach dem richtigen Archiv ist die Homepage wirtschaftsarchivportal.de, die Kontaktdaten zahlreicher Archive und einen Überblick über die Bestände bietet. Unterlagen ehemaliger Staatsunternehmen wie Bahn und Post sind übrigens im Bundesarchiv zu finden.

Der Sonntag begann für mich mit einem Lieblingsschriftsteller meiner Jugendjahre: Auf Spurensuche zu Karl Mays Herkunft. Robin Leipold verstand es, den Stammbaum Karl Mays mit der Entwicklung der Ende des 17. Jahrhunderts gegründeten Weberstadt Ernstthal sowie dem Vulkanwinter 1816 und der Aufhebung der Kontinentalsperre zu verknüpfen. Diese Verbindung eines Stammbaums mit dem großen Ganzen macht doch den Reiz unser Forschungen aus!

Was uns Familiennamen über unsere Vorfahren verraten, erläuterte Prof. Dr. Karlheinz Jakob. Fast alle der rund 900.00 Familiennamen im deutschsprachigen Raum lassen sich auf fünf große Quellen zurückführen, so seine These: Vornamen der Eltern, Herkunftsort, Wohnstelle und Besonderheiten von Körper, Verhaltensweisen und Tugenden. Infolge sprachlicher Verdunklung sei die ursprüngliche Bedeutung manchmal aber nur noch schwer erkennbar. Dass der Träger des Namens Weissflog einmal weiße Flocken, d.h. weiße Haare hatte, darauf kommt man nicht sofort.

Seit 1548 verpflichtete eine landesherrliche Anweisung die Pfarrer in Sachsen zur Führung von Kirchenbüchern. Erste Kirchenbücher gab es in Sachsen in vorreformatorischer Zeit, so ab 1502 in Zwickau ein Totenbuch. Darauf wies Dr. Stefan Dornheim in seinem Vortrag über das archivarische Gedächtnis des Pfarrhauses hin.

Soweit mein persönlicher Streifzug durch die Vorträge des 69. Deutschen Genealogentags. Ein Genealogentag lebt aber nicht nur vom fachlichen Input, sondern mindestens ebenso vom Netzwerken, von der Kommunikation mit Leuten, denen man sonst nur per Mail begegnet. Fachsimpeln und plaudern konnte man nicht nur an den Ständen der rund einem Dutzend kommerzieller Anbieter, allen voran Ancestry, Archion und MyHeritage. Daneben waren im Atrium des World Trade Centers rund 40 Vereine und Stiftungen mit Ständen oder Standgemeinschaften vertreten. Der kleine Haufen neuer Visitenkarten auf meinem Schreibtisch ist ein Beleg für frisch geknüpfte Kontakte und zugleich Ansporn, diese in den nächsten Wochen und Monaten weiter zu vertiefen.

Es gäbe noch viel zu erzählen: vom kostenlosen Einsteiger-Programm für Genealogie-Neulinge, dem dreitägigen Kultur- und Exkursionsprogramm und und und. Möglicherweise habe ich auch den einen oder die andere neugierig gemacht: Im Jubiläumsjahr findet der 70. Deutsche Genealogentag vom 5. bis 7. Oktober 2018 in Melle bei Osnabrück statt.

Dem Verein für Familienkunde in Baden-Württemberg war der logistische Aufwand in diesem Jahr zu groß. Nachvollziehbar. Vielleicht gelingt es aber im nächsten Jahr, nach dem Vorbild der norddeutschen Vereine einen Gemeinschaftsstand auf die Beine zu stellen? Vielleicht heißt es dann: Gemeinsam forschen im Südwesten? Einen Versuch wäre es wert.